Nachhaltig 


Hier wird der Versuch unternommen, einen Überblick über das komplexe Thema Nachhaltigkeit zu geben und zu veranschaulichen:

  • Wie zuallererst die reichen Gesellschaften jetzt rasch handeln müssen, um die schlimmstmöglichen Auswirkungen der Klima- und Biodiversitätskrise von uns Menschen abzuwenden.

  • Wie dringend es ist, eine nachhaltige Wirtschaft zu entwickeln, die ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen Fragen und sozialer und ökologischer Verantwortung schafft.

Das grosse Dilemma


Wir stehen einer Sprachlosigkeit gegenüber und wissen nicht, wie sie überwinden, um die Realität begreifbar zu machen, den Ernst der Lage angemessen zu beschreiben...  

Wie bei einem Fieberanfall ist die globale Erderwärmung ein Symptom für ein tieferes Malaise...

Der rasche Rückgang der Biodiversität ist ein ernsthaftes Risiko für die Ernährungssicherheit zukünftiger Menschen...

Wir brauchen ganz andere Antworten auf die Umwelt- und Klimafragen, als die der vergangenen 40 Jahre...

Die Digitalisierung verändert fast jeden Aspekt unseres Lebens, während Nachhaltigkeit in den meisten Bereichen noch nicht Realität geworden ist...

Ohne Wachstum geht es nicht, komplett grünes Wachstum gibt es nicht, und normales Wachstum führt unausweichlich in die ökologische Katastrophe...

Die Anreize im heutigen Wirtschaftssystem fördern immer noch einseitig die Ausbeutung von Natur und Mensch...

Die Frage ist nicht wie?  Die Frage ist, wann entscheiden wir uns nachhaltig zu leben...

Es eilt sehr. Ein Systemkollaps ist eine reale Gefahr...

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Ausgangslage

© Alexander Sviridov | Shutterstock, Inc. [US] 2021

Nein, es handelt sich nicht um eine Klimakrise, sondern um eine Gesellschaftskrise. Und die hat verheerende Folgen für das Klima und die Natur - für die gesamte Welt, wie wir sie heute kennen.
Lars Hochmann. Economists4future - Verantwortung übernehmen für eine bessere Welt. 2020.
Eine ganze Gesellschaft hängt fest zwischen dem Gefühl von drohender Katastrophe und der Unfähigkeit, sich dieses Gefühl einzugestehen.
Joanna Macy, Umweltaktivistin und Wissenschaftlerin
Wir stehen einer Sprachlosigkeit gegenüber und wissen nicht, wie sie überwinden, um die Realität begreifbar zu machen, den Ernst der Lage angemessen zu beschreiben.
Übersetzt von: George Marshall. Don't Even Think About It - Why Our Brains Are Wired to Ignore Climate Change. 2014

© Igillustrator | Shutterstock, [US] 2018

Wenn wir die Natur besiegt haben, werden wir uns auf der Verliererseite wiederfinden.
Zitat von Konrad Lorenz, Biologe und Nobelpreisträger
Wir lassen uns auf ein Experiment ein, von dem sicher ist, dass es scheitern wird. [...] Weltweit läuft dieses gigantische Experiment, das von der Hypothese ausgeht, grenzenloses Wachstum sei auf einem begrenzten Planeten möglich.
Harald Welzer. Alles könnte anders sein - Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen. 2019.
Die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung stehen fest [UNO Agenda 2030 mit 17 Zielen]. Wir wissen aber aktuell nicht, unter welchen Bedingungen es der Menschheit gelingen kann, die Massnahmen zur Erreichung dieser Nachhaltigkeitsziele global auch wirklich umzusetzen.
Christian Berg. Ist Nachhaltigkeit utopisch? Wie wir Barrieren überwinden und zukunftsfähig handeln. 2020.
Nachhaltigkeit ist in aller Munde, sowohl in Politik, Wirtschaft und im Privaten. Jeder kann sich unter dem Begriff etwas vorstellen und setzt dabei andere Schwerpunkte. Der Begriff läuft somit Gefahr, «Alles und Nichts» zu bedeuten.
Agentur für Forschung. 2019. Wahrnehmung von "Nachhaltigkeit" - Bericht zur qualitativen Studie. Mannheim, 05. September 2019
Da die ökologische, wirtschaftliche und soziale Dimension des Prinzips der Nachhaltigkeit gleichzeitig verwirklicht werden soll, ähnelt das Unterfangen einer Quadratur des Kreises.
Sabina Wölkner. Agenda 2030: Mut zur Nachhaltigkeit! Konrad Adenauerstiftung. 2019

© ittipon | Shutterstock, Inc. [US] 2018 

Die vergangenen Jahrzehnte haben vielen Menschen einen beispiellosen Wohlstand beschert. Dafür zahlt unser Planet und mit ihm eine unvorstellbar grosse Zahl von Menschen aber einen hohen Preis.

Dies ist das historisch Neue an der gegenwärtigen Situation. Während wir immer näher an den Rand der ökologischen Grenzen rücken - der Bedingungen, unter denen unsere Spezies gedeihen kann - untergräbt die Entwicklung der reichen Welt systematisch die Überlebensbedingungen von Milliarden von Menschen in der klimatischen Gefahrenzone.

Sie werden nicht so sehr ausgebeutet oder umgangen, sondern sind Opfer der klimatischen Auswirkungen des Wirtschaftswachstums, das anderswo stattfindet. Diese gewaltsame und indirekte Verstrickung ist in ihrer Qualität und ihrem Ausmass neu.

Übersetzt von: Adam Tooze. Global conferences such as the upcoming Cop28 may seem like staid and ritualistic affairs. But they matter. The Guardian 23.11.2023
Mehr als zweihundert Jahre lang von den fossilen Ablagerungen des Karbons zu leben, hat uns in dem falschen Glauben gewiegt, eine ebenso grenzen- wie endlose Zukunft zu haben - eine Zukunft, in der alles möglich ist, ohne dass wir dafür eine allzu grosse Rechnung präsentiert bekommen. [...].

Wir haben diese Ära «Zeitalter des Fortschritts» getauft. Der Klimawandel ist nun die Rechnung, die heute fällig ist.
Jeremy Rifkin, Ökonom und Publizist. Der globale Green New Deal. Warum die fossil befeuerte Zivilisation um 2028 kollabiert - und ein kühner ökonomischer Plan das Leben auf der Erde retten kann. 2019

© Yupa Watchanakit | Shutterstock, [US] 2023

Unsere Wirtschafts- und Lebensweise haben weltweit grosse Umweltbelastungen sowie den Klimawandel zur Folge und gefährden zunehmend unsere Lebensgrundlage und das Zusammenleben auf der Erde.

Sogar im Global Risk Report 2022 des Weltwirtschaftsforums WEF sind fünf der sechs grössten globalen Risiken ökologische und das sechste die Massenvernichtungswaffen.

Wie zum Beispiel:

  • Extreme Wetterereignisse mit grossen Schäden an Eigentum, Infrastruktur und Menschenleben.
  • Versagen von Regierungen und Unternehmen bei der Eindämmung des Klimawandels und der Anpassung an den Klimawandel.
  • Grosser Verlust an biologischer Vielfalt und Zusammenbruch von Ökosystemen an Land oder im Meer mit irreversiblen Folgen für die Umwelt, was zu einer starken Erschöpfung der Ressourcen für die Menschheit und die Industrie führt.

© Andrey_Kuzmin | Shutterstock, [US] 2023

Keine kommende Katastrophe wurde je so gründlich untersucht wie die Erderwärmung. Und keine wurde je so gründlich ignoriert

Die erste Weltklimakonferenz fand in Genf bereits im Jahr 1979 statt. Seit 1995 finden jährlich Weltklimakonferenzen statt und doch nehmen die globalen Treibhausgas-Emissionen jedes Jahr weiterhin zu.

Am Klimagipfel 2021 in Glasgow hatten die Staaten festgehalten, die globalen Treibhausgas-Emissionen bis 2030 im Vergleich zum Stand 2010 um 45 % zu senken. Damit sollte die Erderwärmung unter 2°C begrenzt werden. 

Untersuchungen zur Wirksamkeit der bisherigen Verpflichtungen der Staaten zur Reduktion ihrer Emissionen zeigen jetzt aber: würden sie in diesem Umfang umgesetzt, dann wären die globalen Emissionen 2030 nicht niedriger, sondern rund 9 % höher als im Jahre 2010.

Übersetzt gemäss: United Nations – Climate Change. New Analysis of National Climate Plans: Insufficient Progress Made, COP28 Must Set Stage for Immediate Action. 14. November 2023.
Für die jungen Leute, die in den Statistiken als besorgt oder extrem besorgt auftauchen, sind die Meldungen über die Klimakrise nicht annähernd so deprimierend wie die Tatsache, dass diese Meldungen ignoriert werden.
Daniel Graf. Ja, Zukunftslust, verdammt! REPUBLIK 14.02.2023

© klublu | Shutterstock, [US] 2023

Die Ungleichheit bei Vermögen, Ressourcenverbrauch und CO2-Ausstoss zwischen den Ländern und auch innerhalb der Gesellschaften ist enorm.

Das reichste 1 % der Menschheit ist für mehr Kohlendioxidemissionen verantwortlich als die ärmsten 66 %, was schwerwiegende Folgen für schutzbedürftige Gemeinschaften und die globalen Bemühungen zur Bewältigung der Klimakrise hat. 

Ein Bericht zeigt, dass 2019 die Länder mit hohem Einkommen (vor allem im globalen Norden) für 40 % der weltweiten verbrauchsbedingten CO2-Emissionen verantwortlich waren, während der Beitrag der Länder mit niedrigem Einkommen (vor allem im globalen Süden) bei vernachlässigbaren 0,4 % lag.

Afrika, wo etwa ein Sechstel der Weltbevölkerung lebt, war für nur 4 % der Emissionen verantwortlich.

Übersetzt gemäss: Jonathan Watts: Richest 1% account for more carbon emissions than poorest 66%, report says. The Guardian, 20.11.2023. Data based on the report of Oxfam International. Climate Equality: A planet for the 99%.
Es ist verständlich, warum eine Politik zur Reduzierung der CO2-Emissionen, die diese enormen Ungleichheiten ignoriert, wahrscheinlich keine breite Unterstützung findet und auf starken Widerstand stossen könnte.
Übersetzt von Richard Wilkinson and Kate Pickett. From inequality to sustainability. Earth4all. 2022.
Es ist völlig nachvollziehbar, dass ein grosser Teil der Weltbevölkerung das Wirtschaftswachstum, das doch Wohlstand bedeutet, wichtiger findet als ernsthafte Klimaschutzmassmahmen. Die grosse zivilisatorische Aufgabe ist die Lösung eben dieses Konflikts.  
Ernst Ulrich von Weizsäcker. So reicht das nicht! Was wir in der Klimakrise jetzt wirklich brauchen. 2022
Ohne entschlossene Massnahmen zum drastischen Abbau sozio-ökonomischer Ungleichheiten gibt es keine Lösung der Umwelt- und Klimakrise.
Piketty Thomas. 2022. Eine kurze Geschichte der Gleichheit.
Nur eine radikale Verringerung der Ungleichheit kann uns in die Lage versetzen, den Klimawandel zu bremsen. Gleichzeitig droht der Klimawandel die Ungleichheit auf ein noch nie dagewesenes Niveau voranzutreiben [...]. 
Übersetzt von: Oxfam International. 2023. Climate equality: A planet for the 99%.

© PX Media | Shutterstock, [US] 2023

Die heutigen Glaubens- und Denkmuster stammen alle aus der Zeit einer mit Menschen fast leeren Welt und eignen sich nicht für die mit Menschen volle Welt von heute. 

Heute, eigentlich seit Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, lebt die Menschheit in einer vollen Welt. Vor hundert Jahren lebten ca. 1'700, im Jahr 1950 ca. 2'500 und heute leben ca. 8'000 Millionen Menschen auf unserer Erde.

Die Grenzen sind sichtbar, fühlbar in allem was wir tun. Und doch verfolgt die Welt weiterhin eine Wachtsumspolitik, als ob wir immer noch in der leeren Welt von damals lebten, als die Fülle an natürlichen Ressourcen auf dieser Erde endlos schien.

Gemäss: Weizsäcker v. Ernst Ulrich und Anders Wijkman. 2018. Wir sind dran - Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen. Eine neue Aufklärung für eine volle Welt.
Unsere Institutionen und unser Regierungshandeln sind für eine Welt konzipiert, die von relativer Stabilität und Fortschritt geprägt ist. Sie sind jedoch nicht dafür ausgelegt, unsere Gesellschaft in Zeiten des raschen Wandels zu steuern, wenn weit verbreitete Prämissen wie das Streben nach Wachstum sich gegen uns wenden. 

Die politischen Entscheidungsträger müssen mutige und ehrgeizige Massnahmen ergreifen, die der Dringlichkeit und dem Zusammenspiel sich überschneidender Krisen Rechnung tragen und gleichzeitig einen wirklich gerechten und integrativen Übergang gewährleisten.

Übersetzt von: Katy Wiese, the Senior Policy Officer at the EEB in: Andreas Budiman. The tricky path to financing our way out of the climate crisis. Meta from European Environmental Bureau EEB. April 5, 2023.

Die menschliche Fähigkeit zu handeln, hat die Fähigkeit zu verstehen, weit übertroffen. Daraus erwächst für die Zivilisation ein Orkan von Problemen, ausgelöst durch Überbevölkerung, Überkonsum der Reichen, Einsatz umweltschädlicher Technologien und schlimme Ungleichheiten.
Übersetzt von: Blue Planet Prize Laureates, Gro Harlem Brundtland et al. Environment and Development Challenges: The Imperative to Act. 2012

Die Art und Weise, wie wir leben, ist ein Problem für unsere Erhaltung als Gesellschaft. […]. Anpassung unserer Lebensweise bedeutet, dass unser Handeln sich immer mehr an den Nebenfolgen ausrichten muss, die es ungewollt erzeugt. […].

Nur ist nicht klar, wie das gelingen kann. Und weil das nicht klar ist, haben wir so viele seltsame Angebote auf dem Markt, von der Leugnung des Klimawandels bis zum grünen Kapitalismus.
Pascal Blum. Zukunftsforscher Philipp Staab im Interview: «Die Art und Weise, wie wir leben, ist ein Problem für unsere Erhaltung als Gesellschaft». Tages-Anzeiger. 22.04.2023

Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen bedingt durch das rasante Bevölkerungswachstum, die Übernutzung der Ressourcen und die damit einhergehende Verschmutzung, den Verlust der Biodiversität, und insgesamt erleben wir einen schleichenden Verlust der Lebensgrundlagen. 
Ernst Ulrich v. Weizsäcker und Anders Wijkman. 2018. Wir sind dran - Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen. Eine neue Aufklärung für eine volle Welt.   

Man darf den Leuten aber nicht die Mär erzählen, dass die Klimaziele mit dem herkömmlichen Wachstumsansatz vereinbar sind. 
Günther Bachmann - Ehemaliger Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung, Deutschland. Interview 12.08.2021.



Klima

© Photobank gallery and © Scharfsinn | Shutterstock, Inc. [US] 2019  

Wie bei einem Fieberanfall ist die globale Erderwärmung ein Symptom für ein tieferes Malaise. Der Klimawandel sagt uns laut und deutlich, dass unsere auf Wachstum basierende Wirtschaft nicht nachhaltig ist.
Übersetzt von: Margarita Mediavilla in: Khaled Diab. 2021. How Europe can grow without growing. European Environmental Bureau META.

Auch heute noch sind wir mutmasslich deutlich besser darin, die sozialen Folgen des Klimawandels zu verstehen als die sozialen Bedingungen dafür, ihn zu begrenzen.
Christian Berg. 2020. Ist Nachhaltigkeit utopisch? Wie wir Barrieren überwinden und zukunftsfähig handeln.

Seit mehr als 6.000 Jahren hat die Menschheit gelernt, innerhalb einer relativ engen Bandbreite von Umwelt- und Klimaschwankungen zu leben. Die durchschnittliche Jahrestemperatur lag in diesem Zeitraum bei etwa 13ºC. 

Aktuell weist rund 1 % der Landoberfläche der Erde - hauptsächlich in den heissesten Teilen der Sahara – eine durchschnittliche Jahrestemperatur von 29°C auf.

Bis 2070 könnte fast ein Fünftel der Landfläche der Erde diese Temperaturen erreichen, und davon betroffen könnten etwa 30 % der prognostizierten Weltbevölkerung sein.

Übersetzt gemäss: Chi Xu etal. 2020. Future of the human climate niche. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) Vol. 117 | No. 21.


2022 war das wärmste Jahr in der Schweiz seit Messbeginn im Jahr 1864.

Quelle: MeteoSchweiz 2023: Klimabulletin Jahr 2022. Zürich

Webseite ShowYourStripes. Institute for Environmental Analytics. University of Reading

Die weltweiten CO2 - Emissionen stiegen 2022 auf einen neuen Höchststand von 36,8 Giga-Tonnen.
Quelle: IEA International Energy Agency. 2023. CO2 Emissions in 2022.

Hintergrundbild © Scott Book | Shutterstock, Inc. [US] 2019


Gross sind die historischen Unterschiede beim CO2-Ausstoss zwischen den Weltregionen.
Quelle: Global Carbon Project 2023

Hintergrundbild © Barnaby Chambers | Shutterstock, Inc. [US] 2019

Tatsächlich ist China inzwischen der grösste anthropogene CO2-Emittent. Dies ist jedoch weitgehend auf Waren zurückzuführen, die in China hergestellt, aber anderswo in der Welt konsumiert werden.

Wenn wir die Emissionen dem Ort des Konsums zuschreiben, verbrauchen die Nordamerikaner 22.5 Tonnen CO2e pro Jahr und Person, die Westeuropäer 13.1, die Chinesen 6, und Südasien nur 2.2 Tonnen. 
Übersetzt von: Abhijit V. Banerjee and Esther Duflo. 2019. Good Economics for Hard Times - Better Answers to Our Biggest Problems.


Klein ist der Anteil der Erneuerbaren an der weltweiten Energieerzeugung im Vergleich zu den Fossilen.

Quelle: World Energy Outlook 2023 von International Energy Agency

Hintergrundbild  © 24Novembers | Shutterstock, Inc. [US] 2023

In krassem Gegensatz zum Rinnsal der Klimaschutzfinanzierung sind die Subventionen für fossile Brennstoffe in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen.

Im Jahr 2022 erreichten die Gesamtausgaben für Subventionen für Öl, Erdgas und Kohle einen Rekordwert von 7 Billionen Dollar [gemäss IWF]. Das sind 2 Billionen Dollar mehr als im Jahr 2020.
Übersetzt von: Chelsea Harvey and Zia Weise.The state of the planet in 10 numbers. Politico.eu. November 20, 2023

Widerstandsfähige Ökosysteme 

Es ist aussichtslos, die Klimaziele erreichen zu wollen, ohne dabei gleichzeitig die Ökosysteme zu schützen. Sie sind eine Voraussetzung für die langfristige Aufnahme und Speicherung von Kohlenstoff.

Eine Reduktion der Treibhausgasemissionen allein reicht nicht aus.

© Frank Wortmann + © arpitcoolboy + © Sandra-Dombrovsky + © Aleks14 | Shutterstock, Inc. [US] 2019/2023

Es braucht jetzt grosse Anstrengungen zum Schutz der natürlichen Kohlenstoffspeicher wie Wälder, Böden, Moore und Meere, um damit gleichzeitig den rasant voranschreitenden Biodiversitätsverlust einzudämmen. 

Rund 50 Prozent des vom Menschen verursachten Treibhausgasausstosses werden von natürlichen Ökosystemen an Land und im Meer absorbiert. 

Böden sind, nach den Ozeanen, die zweitgrösste natürliche Kohlenstoffsenke. Moore bedecken nur 3 % der Landfläche, binden aber doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder der Erde zusammen. 

© Marti Bug Catcher | Shutterstock, Inc. [US] 2021

Der Klimawandel findet vor allem auch in den Ozeanen statt.

Im Jahr 2022 waren die Weltmeere, gemessen am Wärmeinhalt der Ozeane, erneut die wärmsten in der Geschichte und übertrafen das bisherige Rekordmaximum von 2021.
Übersetzt von: Cheng, L., Abraham, J., Trenberth, K.E. et al. Another Year of Record Heat for the Oceans. Adv. Atmos. Sci. (2023).

Die Ozeane bedecken mehr als 70 Prozent der Oberfläche des Planeten. Sie werden wärmer und der Meeresspiegel steigt.

Bis heute nahmen sie zirka ein Viertel der globalen CO2 - Emissionen auf. Die Ozeane versauern jedoch zunehmend, da bei der Aufnahme von CO2 Kohlensäure gebildet wird. 

Das Fehlen von angemessener Abwasserbehandlung und die Freisetzung von Schadstoffen aus der verarbeitenden Industrie, der Landwirtschaft, dem Tourismus, der Fischerei und der Schifffahrt setzen die Meere weiterhin unter Druck, was sich negativ auf die Ernährungssicherheit und die biologische Vielfalt der Meere auswirkt.

Die Ozeane spielen eine entscheidende Rolle für das Erreichen der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung und für die Lebensgrundlage von Milliarden von Menschen. Wir müssen dringend die Art und Weise ändern, wie wir mit ihnen interagieren. 
Übersetzt von: The Second World Ocean Assessment. United Nations. 2021.

Das «Klima-Jahrzehnt»

Wir empfinden den Klimawandel als langsam, dabei läuft er dramatisch schnell ab. Gleichzeitig haben wir den Eindruck, dass der technologische Wandel, der nötig ist, um den Klimawandel abzuwenden, rasant voranschreitet; dabei entwickelt er sich in Wahrheit täuschend langsam - vor allem gemessen daran, wie schnell wir ihn bräuchten.
David Wallace-Wells. Die unbewohnbare Erde. Leben nach der Erderwärmung. 2019

© Alexander Mak | Shutterstock, Inc. [US] 2021

Wir treten ins «Klima-Jahrzehnt» ein. Ein Zeitraum von zehn Jahren, in dem unser kollektives Handeln die Art der Welt bestimmt, die unsere Kinder und Enkel erben werden.
Übersetzt von: The Climate Decade. Ten Years to Deliver the Paris Agreement. The GlobeScan-SustainAbility Servey. 2019
Die in diesem Jahrzehnt getroffenen Entscheidungen und durchgeführten Massnahmen werden sich jetzt und für Tausende von Jahren auswirken.
Übersetzt von Neuester Bericht des Weltklimarats IPCC: Synthesis Report of the Sixth Assessment Report. 2023

Das Ziel der Halbierung der globalen Emissionen bis 2030 stellt das absolute Minimum dar, das wir erreichen müssen, wenn wir eine Chance von mindestens 50 Prozent haben wollen, die Menschheit vor den schlimmsten Auswirkungen zu schützen.
Übersetzt von: Christiana Figueres and Tom Rivett-Carnac. 2020. The Future We Choose - Surviving the Climate Crisis.

  © Piyaset | Shutterstock, Inc. [US] 2023

Die primäre Herausforderung besteht darin, den Geldfluss zu Öl, Kohle und Gas zu stoppen und einen klaren Weg zur Dekarbonisierung zu finden.

Die «Nachhaltigkeit» der Finanzwirtschaft lässt sich daran messen, wie weit und wie schnell sie uns von der fossilen Energiewirtschaft wegbringt, anstatt dem Finanzsektor einfach nur die Möglichkeit zu geben - neben einem Kerngeschäft, das den Klimawandel weiterhin finanziert - neue «grüne» Märkte zu entwickeln.

Übersetzt von: Oscar Reyes. Change Finance - Not the Climate. 2020
Die Klimakrise interessiert sich nicht für das Versprechen, 2050 klimaneutral zu sein:

Es kommt nicht darauf an, wann die Menschheit damit aufhört, Kohle, Öl und Gas zu verbrennen und damit Treibhausgase wie CO2 in die Atmosphäre zu pusten. Es kommt darauf an, wie viel wir in der Zwischenzeit verbrennen.

Wenn wir nicht bis 2030 - also in nicht einmal 10 Jahren - massiv einsparen, wird die Erderhitzung 2 Grad sicher überschreiten. 

Maria Stich. 18 Fakten über die Klimakrise, die jede:r wissen sollte. Perspective Daily. 27. März 2023

Eine erfolgreiche Klimapolitik gelingt nur dann, wenn die Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung an den Klimawandel jetzt gleichzeitig und rasch erfolgen.



Biodiversität

© Pavel K and © oticki | Shutterstock, Inc. [US] 2020   

Der rasch voranschreitende Rückgang der Biodiversität auf dem Lande und im Meer ist ein ernsthaftes Risiko für die Ernährungssicherheit zukünftiger Menschen. 

Fossile Aufzeichnungen zeigen zwar, dass das Aussterben von Arten auf natürliche Weise erfolgt, aber die heutigen Aussterberaten sind schätzungsweise 100 bis 1000 Mal höher als das, was als natürlich angesehen wird.
Übersetzt von: Elizabeth Claire Alberts. Global biodiversity is in crisis, but how bad is it? It's complicated. Mongabay Series. 11. April 2022
Der Verlust der biologischen Vielfalt ist direkt auf fünf globale Schlüsselfaktoren zurückzuführen, die alle im Zusammenhang mit menschlichen Aktivitäten stehen:

(1) Veränderungen in der Land-, Süsswasser- und Meeresnutzung
(2) Direkte Ausbeutung von Ressourcen
(3) Verschmutzung
(4) Ausbreitung von invasiven gebietsfremden Arten und Krankheiten
(5) Klimawandel
Quelle: IPBES Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services. 2019.

Die Änderung der Landnutzung durch den massiven Ausbau der globalisierten, hochkommerzialisierten industriellen Landwirtschaft ist die grösste treibende Kraft hinter dem Verlust der Agrobiodiversität. 

Laut der Schätzung der FAO [Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen] gingen im 20. Jahrhundert weltweit 75 Prozent der Kulturpflanzenvielfalt verloren. Wurden in der Vergangenheit etwa 7'000 Pflanzen zwecks Ernährung angebaut, tragen heute nur noch etwa 80 Sorten massgeblich zur globalen Nahrungsversorgung bei.

Tatsächlich stammt die Hälfte aller pflanzenbasierten Kalorien von nur drei Arten ab - Reis, Mais und Weizen. Und 93 Prozent der globalen Fleischversorgung stammen von nur 4 Tierarten: Schwein, Geflügel, Rind und Büffel.

Die Wiederherstellung der Agrobiodiversität - die Vielfalt dessen, was wir anbauen, züchten, konsumieren und in freier Wildbahn erhalten - ist von entscheidender Bedeutung, um widerstandsfähige Nahrungssysteme vor dem Hintergrund des Klimawandels sicherzustellen.
Swiss academies factsheets Vol.15 No.1. 2020. Vielfalt ist die Quelle des Lebens: Herausforderungen und Handlungsbedarf für die Förderung der Agrobiodiversität.

© salcover| Shutterstock, Inc. [US] 2023

Die Produktion von Fleisch und Milchprodukten beansprucht bereits über 70 Prozent des globalen Agrarlands, obwohl damit nur 18 Prozent des Kalorienbedarfs der Menschheit gedeckt werden.
Übersetzt von: Poore et al., Reducing food's environmental impacts through producers and consumers. Science 360, 987-992 (2018)

Nur wenn sich unser Umgang mit Land grundlegend ändert, können die Klimaschutzziele erreicht, der dramatische Verlust der biologischen Vielfalt abgewendet und das globale Ernährungssystem nachhaltig gestaltet werden.
WBGU Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen. 2020. Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration.
(1) Die globale Ernährung muss deshalb auf mehr pflanzliche Ernährung umgestellt werden. 
(2) Mehr Land muss geschützt und für die Natur reserviert werden. Dies ist der effektivste Weg, um die biologische Vielfalt zu erhalten. 
(3) Und die Landwirtschaft muss naturfreundlicher und biodiversitätsfördernder ausgerichtet werden. 

Übersetzt gemäss: Tim G. Benton, etal. Food system impacts on biodiversityloss. Three levers for food system transformation in support of nature. 2021.

© Kichigin | Shutterstock, Inc. [US] 2023 

Die Meere beherbergen schätzungsweise eine Million Tier- und Pflanzenarten. Das Phytoplankton in den Meeren produziert so viel Sauerstoff wie alle Landpflanzen zusammen.
Gemäss: Greenpeace Schweiz. 2023. Wer atmet braucht das Meer.
Als Folge des Klimawandels befindet sich die Biodiversität der Meere in einer Phase des raschen Wandels, der nachweislich noch schneller vonstatten geht als die in terrestrischen Ökosystemen beobachteten Veränderungen.
Übersetzt von: Hodapp D. etal. 2023. Climate change disrupts core habitats of marine species. Global Change Biology, 00, 1–14.
Die Biodiversität erlebt weltweit ein dramatisches, durch den Menschen verursachtes Massenaussterben [...]. Damit nimmt auch die Kapazität der Ökosysteme erheblich ab, zu Klimaregulierung und Ernährungssicherung beizutragen. 
WBGU Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen. 2020. Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration.



Umweltpolitik

© BlueRingMedia | Shutterstock, Inc. [US] 2019 

Der grosse Trugschluss der Umweltdebatte in den letzten 30 Jahren war die Hoffnung, dass sich eine ökologische Wende im Wesentlichen mit einem technologischen Innovationsprogramm in der bestehenden Wirtschaftsordnung umsetzen lässt.

Die anhaltend beeindruckende Wohlstandsentwicklung hat aber weder die Klimabelastung noch die Ressourcenverbräuche oder den Verlust der Biodiversität bremsen können - im Gegenteil, all diese Belastungen haben sich massiv verschärft.
Uwe Schneidewind. Die Grosse Transformation - Eine Einführung in die Kunst gesellschaftlichen Wandels. 2018

Technologische Innovation ist absolut wichtig [...]. Sie ist in der Tat lebenswichtig. Wir werden alle Innovationen und Effizienzsteigerungen brauchen, die wir bekommen können, um die Ressourcen- und Kohlenstoffintensität unserer Wirtschaft drastisch zu reduzieren. 

Aber das Problem, vor dem wir stehen, hat nichts mit der Technologie zu tun. Das Problem hat mit dem Wachstum zu tun. Wir sehen immer und immer wieder, dass der Wachstumsimperativ alle Gewinne, die unsere beste Technologie liefert, zunichte macht.

Übersetzt von: Jason Hickel. Less is more. How Degrowth will Save the World. 2020

© Natalya Bardushka | Shutterstock, Inc. [US] 2023

Heute verbraucht Europa weiterhin mehr Ressourcen und trägt mehr zur Umweltzerstörung bei als viele andere Regionen weltweit. Wir müssen nicht einfach nur mehr tun, sondern die Dinge auch anders angehen.

Im nächsten Jahrzehnt werden ganz andere Antworten auf die Umwelt- und Klimafragen gebraucht, als die der vergangenen 40 Jahre.

Die Umwelt in Europa - Zustand und Ausblick 2020. Europäische Umweltagentur. 2019
[Denn:] Probleme können niemals mit derselben Denkweise gelöst werden, durch die sie entstanden sind.
Albert Einstein. 1946 - angesichts der neuen Bedrohung durch atomare Waffen.

Je länger man versucht, die Lösungsstrategien, die zu den Problemen von gestern passen, auf die Probleme von heute anzuwenden, desto grösser werden sie, die Probleme.
Harald Welzer. 2023. Zeiten Ende – Politik ohne Leitbild, Gesellschaft in Gefahr.

© ChristianChan | Shutterstock, Inc. [US] 2021 

Als gesichert gilt, dass die gegenwärtigen Lebens- und Wirtschaftsweisen einen umfassenden und tiefen Eingriff in verschiedene Ökosysteme darstellen. Zukünftigen Generationen [...] drohen daher drastische und irreversible Nachteile. 

Der Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik ist es bisher bei weitem nicht gelungen, eine hinreichend starke Reduktion der ökologischen Belastungen zu erreichen.

Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW): gesellschaftliches Wohlergehen innerhalb planetaren Grenzen, Texte 89/2018
Die Fragen, die wir uns stellen, die eine Gesellschaft beantworten muss, sind nicht wesentlich andere, als sie vor Jahren oder gar Jahrhunderten waren, aber die Antworten - vor allem die Antwortmöglichkeiten - sind völlig andere.
Robert Habeck. Von hier an anders. Eine politische Skizze. 2021
Wir brauchen einen Politikwandel, der Nachhaltigkeit nicht als mögliches Nebenprodukt einer ökonomischen Wachstumsagenda behandelt, sondern direkt auf nachhaltiges Konsumieren, Produzieren und Investieren zielt.
Maja Göpel. Unsere Welt neu denken - Eine Einladung. 2020



Digitalisierung

© Geza Farkas | Shutterstock, Inc. [US] 2018  

Digitalisierung und Nachhaltigkeit werden oft als zwei Megatrends bezeichnet, die Wirtschaft und Gesellschaft prägen. Die beiden Phänomene sind jedoch sehr unterschiedlich:

Die Digitalisierung verändert die Realität massiv und beeinflusst fast jeden Aspekt unseres Lebens, während Nachhaltigkeit ein normatives Ziel ist, das in den meisten Bereichen noch nicht Realität geworden ist.

Übersetzt von: Maike Gossen and Otmar Lell. Sustainable consumption in the digital age. A plea for a systemic policy approach to turn risks into opportunities. GAIA 32/S1 (2023): 71 – 76
Der Schulterschluss von digitalem Fortschritt und kapitalistischer Ideologie in einer durchmonetarisierten Gesellschaft führt offensichtlich zu einer Konzentration von Macht bei einigen wenigen, meist privaten, Akteuren.

Zur Lösung der richtig grossen Probleme [...] hat die Digitalisierung aber so viel wie noch nichts beigetragen. Weil normalerweise nur Ideen auf den Markt kommen, die auch zu Geld gemacht werden können.

Jonas Lüscher, Schriftsteller - Interview Tages-Anzeiger, 06.01.2018

© Moor Studio | Shutterstock, Inc. [US] 2023

Wir werden mit «digital by default» enden, wenn wir uns nicht für «digital by design» entscheiden.

Wir sollten Technologie nicht durch die Brille von Big Tech betrachten, wo die Rolle von Algorithmen darin besteht, Menschen zu ersetzen [...].

Wir sollten damit beginnen, die Ergebnisse zu bewerten, die wir mit Hilfe der Technologie erreichen wollen, wie z. B. die Verringerung des Kohlenstoffausstosses und die Verbesserung der Rentabilität der Arbeit.

Übersetzt von: Mark Carney. Value(s) - Building a Better World for All. 2021.
Eine Ausrichtung der globalen digitalen Revolution an den Nachhaltigkeitszielen [..] ist kaum zu beobachten, auch wenn viele Akteure betonen, sie handelten zum Wohle der Menschheit.
WBGU Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen. 2018. Digitalisierung: Worüber wir jetzt reden müssen.

© Gorodenkoff | Shutterstock, Inc. [US] 2023

Die drei Hauptziele der ökologischen Nachhaltigkeit sind CO2 -  und Ressourcen - Reduktion sowie Renaturierung.

Zumindest in der Theorie kann das Wachstum digitaler Anwendungen mit den Zielen der ökologischen Nachhaltigkeit vereinbar sein. Doch die heutige Realität ist von diesem Ideal weit entfernt.

Der Energie- und Materialverbrauch steigt mit zunehmender Digitalisierung sogar an. An dieser Situation wird sich nichts ändern, wenn die Mehrheit der betroffenen Unternehmen die drei ökologischen Ziele nicht als verbindliche Grundsätze übernimmt.
Übersetzt von: Ortwin Renn, et al. The opportunities and risks of digitalisation for sustainable development: a systemic perspective. GAIA 30/1(2021): 23-28

Im Grossen wirken Digitalisierungsprozesse heute eher als «Brandbeschleuniger» bestehender, nicht nachhaltiger Trends, also der Übernutzung natürlicher Ressourcen und wachsender sozialer Ungleichheit in vielen Ländern.

Auf der einen Seite muss nüchtern festgestellt werden, dass die Digitalisierung von Wirtschaft und Alltag sich bislang nur marginal an Nachhaltigkeitsaspekten orientiert.

Auf der anderen Seite offeriert die Digitalisierung ein ungeheures Spektrum an Möglichkeiten zur Unterstützung der Transformation zur Nachhaltigkeit.
WBGU Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung - Globale Umweltveränderungen. 2019. Unsere gemeinsame digitale Zukunft.

Die enormen Gestaltungsmöglichkeiten der Digitalisierung als prägende Kraft des 21. Jahrhunderts müssen in den Dienst einer nachhaltigen Entwicklung als drängendste Gestaltungsaufgabe des 21. Jahrhunderts gestellt werden.
Wuppertal Institut (2021): Digitalisierung gestalten - Transformation zur Nachhaltigkeit ermöglichen: Studie im Rahmen des Projekts «Shaping the Digital Transformation».



Wachstum

© M-SUR | Shutterstock, [US] 2018

Wir müssen das Wachstumsdilemma anpacken, das da lautet: 

Das Wachstum unserer heutigen Wirtschaft aufgeben, bedeutet das Risiko eines wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenbruchs.

Das herkömmliche Wachstum beibehalten, bedeutet das Risiko der Zerstörung globaler Ökosysteme, die unsere Lebensgrundlage sind.

Tim Jackson. Wohlstand ohne Wachstum - Das Update. Grundlage für eine zukunftsfähige Wirtschaft. 2016.
Es ist ein Dilemma: Ohne Wachstum geht es nicht, komplett grünes Wachstum gibt es nicht, und normales Wachstum führt unausweichlich in die ökologische Katastrophe.
Ulrike Herrmann. Goodbye, Kapitalismus: So kann der Übergang zu einer neuen Wirtschaftsordnung gelingen. Perspective Daily 11. Januar 2021

© Munimara | Shutterstock, Inc. [US] 2018   

Kontinuierliches Wachstum ist kein Märchen, es ist eine Notwendigkeit. Aber nicht einfach irgendein Wachstum.

Die Macht des Marktes muss auf das ausgerichtet werden, was die Gesellschaft will. Das erfordert Massstäbe für Einkommen und Wohlstand, die unsere Werte widerspiegeln. [...] Wir brauchen eine Welt, in der wir uns nicht mehr nur von Messgrössen wie dem BIP *) leiten lassen [...]. 
Translated from: Mark Carney. Value(s) - Building a Better World for All. 2021.

*) BIP (engl. GDP) steht für Bruttoinlandsprodukt und stellt den gesamten Geldwert aller Endprodukte und Dienstleistungen dar, die in einem Land während eines bestimmten Zeitraums produziert und verkauft werden.

© Ueli Hafner 2022

Wir brauchen somit dringend eine klare Vision, eine mutige Politik und eine wirklich robuste Strategie, um den Ausweg aus dem Wachstumsdilemma zu finden.

Vom normalen Politikbetrieb wird das Wachstumsdilemma allerdings noch kaum wahrgenommen und in der öffentlichen Debatte allenfalls am Rande erwähnt.
Tim Jackson. Wohlstand ohne Wachstum - Das Update. Grundlage für eine zukunftsfähige Wirtschaft. 2016. 

Es ist klar, dass es darauf keine einfachen Antworten gibt - keine Antwort, die vorgeschlagen werden könnte, ohne gleichzeitig eine umfassende Änderung der Art und Weise, wie wir denken, arbeiten und unser Leben ausrichten, vorzuschlagen.
Übersetzt von: David Fleming. Surviving the Future: Culture, Carnival and Capital in the Aftermath of the Market Economy. 2016.
Drei Prozent Wachstum bedeutet eine Verdoppelung der Weltwirtschaft alle dreiundzwanzig Jahre [...]. Das wäre vielleicht in Ordnung, wenn das BIP einfach aus der Luft gegriffen wäre. Aber so ist es nicht. Es ist an den Energie- und Ressourcenverbrauch gekoppelt [...].
Übersetzt von: Jason Hickel. 2020. Less is More. How degrowth will save the world.

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Die konventionelle Reaktion auf das Wachstumsdilemma ist der Ruf nach Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenverbrauch und damit von den schädlichen Umweltauswirkungen. 

Erreicht werden soll die Entkopplung mit effizienteren Produktionsprozessen. Effizienter zu produzieren, bedeutet aber eine Steigerung der Produktivität und diese ermöglicht weiteres Wachstum mit zusätzlichem Ressourcenverbrauch. Wir dürfen uns also nicht allein auf Effizienzmassnahmen und technologische Innovationen verlassen. 

Denn das globale Wirtschaftswachstum konnte bisher in absoluten Zahlen nicht vom Ressourcenverbrauch und den Treibhausgasemissionen entkoppelt werden. 

Bisher hat die Umwelt- und Klimapolitik global bestenfalls eine relative Entkopplung *) zwischen BIP und Ressourcennutzung bzw. Treibhausgasemissionen erreicht.
Übersetzt von: Helmut Haberl et al 2020. A systematic review of the evidence on decoupling of GDP, resource use and GHG emissions, part II: synthesizing the insights. Environ. Res. Lett. 15 065003

*) Relative Entkopplung von Ressourcenverbrauch und Wirtschaftswachstum bedeutet, dass der Ressourcenverbrauch bei einer nachhaltigeren, aber weiterhin wachsenden Wirtschaft zwar weniger stark zunimmt, aber immer noch ansteigt. Bei einer absoluten Entkopplung würde der Ressourcenverbrauch trotz wachsender Wirtschaft nicht weiter ansteigen. 

Die Lücke zwischen effizientem Produzieren und effizientem Einsammeln und Wiederverwerten ist gigantisch.
Lea Hampel. Interview mit Abfall-Historiker Roman Köster. Wir sind ständig Komplizen der grossen Müllmaschinerie. Süddeutsche Zeitung 16. November 2023

Die globale Nutzung von Materialien beschleunigt sich. Sie hat sich seit 1970 mehr als verdreifacht. Zudem ist die Weltwirtschaft nur zu 9 Prozent zirkulär. Nur 9 Prozent der 92,8 Milliarden Tonnen Material, die in die Wirtschaft gelangen, werden jährlich wiederverwendet. 
PACE The Platform for Accelerating the Circular Economy. The Circularity Gap Report 2019

Das Gewicht der menschengemachten Masse, also die Summe aller Industrieanlagen, Wohnungen, Strassen, Schiffe, Gerätschaften und Müllberge, erreicht in diesen Jahren das Gewicht der Biomasse auf der Erde, also die Summe aller Wale, Nutztiere, Insekten, Pilze, Ackerfrüchte, Bäume und Menschenkörper.
Wolfgang Sachs. Frugaler Wohlstand - Ein Plädoyer für eine Ökonomie des Genug. Blätter für deutsche und internationale Politik 11/2022.

Es gibt nicht nur keine empirischen Belege für eine Entkopplung des Wirtschaftswachstums von den Umweltbelastungen, die auch nur annähernd das Ausmass erreicht, das notwendig wäre, um die Umweltzerstörung zu verhindern, sondern auch - und das ist vielleicht noch wichtiger - es scheint auch unwahrscheinlich, dass eine solche Entkopplung in der Zukunft stattfindet.
Übersetzt von: Parrique T. etal. 2019. European Environmental Bureau. Decoupling debunked: Evidence and arguments against green growth as a sole strategy for sustainability.

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Es müssen deshalb zwei unterschiedliche Entkopplungen verfolgt werden:

(1) Entkopplung der Produktion von Gütern und Dienstleistungen von nicht-nachhaltigem Naturverbrauch und 

(2) Entkopplung der Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse vom Imperativ zu immer mehr Konsum. 
Übersetzt von: Maja Göpel. 2016. The Great Mindshift. 

Eine Patentlösung für die Entkopplung von Wohlstand und Naturzerstörung wird es nicht geben, aber wenn wir es nicht schaffen, dann müssen wir uns an die neuen Bedingungen anpassen. Und die werden hart sein.  
Interview mit Harald Lesch. Digitale Welten riechen nicht. GeoPlus 29.09. 2021

Aber eines ist klar. Wenn wir innerhalb der Grenzen unseres endlichen Planeten gut leben wollen, brauchen wir eine bessere Vorstellung von sozialem Fortschritt als die, die im Wachstumsmythos angelegt ist.
Übersetzt von: Tim Jackson. Post Growth. Life after Capitalism. 2021

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Wir stehen heute also vor der Herkulesaufgabe: 

(1) die grundlegenden Bedürfnisse von bald 9 bis 10 Milliarden Menschen zu befriedigen 

(2) und gleichzeitig die ökologischen Grenzen unserer Erde einzuhalten. 

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In diesem Zusammenhang ist zu bedenken:

Aktuell hat eine Minderheit von rund 20 Prozent der Weltbevölkerung, hauptsächlich Menschen in den reichen Ländern aber auch die Reichen weltweit, einen Anteil von rund 80 Prozent am gesamten globalen Ressourcen-Verbrauch.
Mehrere Quellen: Die Zahlen zeigen die Grössenordnung an, exakte Daten dazu gibt es nicht.
Die reichsten 10 Prozent produzieren global fast die Hälfte der klimaschädlichen Emissionen. Ein Drittel dieser 10 Prozent lebt in Schwellenländern.
Gemäss: Interview mit Irmi Seidl. Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität. 9.9.2022



Wirtschaft

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Die Anreize im heutigen Wirtschaftssystem fördern immer noch einseitig die Ausbeutung von Natur und Mensch.

Realistisch muss angenommen werden, dass nur sehr tiefgreifende Änderungen in der Ökonomie, ja sogar in der menschlichen Zivilisation dazu führen können, eine einigermassen erträgliche Zukunft für unseren Planeten durchzusetzen. 
Ernst Ulrich von Weizsäcker. 2022. So reicht das nicht! Was wir in der Klimakrise jetzt wirklich brauchen.

Es ist ein epochaler Widerspruch, dass fast gleichzeitig der Gedanke der Nachhaltigkeit und das hektische Quartalsdenken in den Konzernen aufkamen: Die Überzeugung, dass Politik und Wirtschaft sehr langfristig angelegt sein sollten und der Zwang, von Vierteljahr zu Vierteljahr einen höheren Gewinn auszuweisen.
Roger de Weck. 2009. Nach der Krise – Gibt es einen andern Kapitalismus?

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Die globalen Entscheidungsträger erkennen wirtschaftliches Wachstum zu Recht als Antwort auf fast alle Probleme, aber sie streben mit aller Macht in die falsche Richtung.

Das Ergebnis ist eine globale Wirtschaftspolitik, die ursprünglich dazu gedacht war, Armut zu lindern, sich aber viele Jahrzehnte später in eine Armutsfalle verwandelt hat - eine Wirtschaftspolitik, die ganze Nationen ökonomisch versklavt, Demokratien destabilisiert und sich an der Finanzierung von Umweltkatastrophen beteiligt. 

Wir konnten mitverfolgen, wie sich der Sinn und Zweck unserer Wirtschaft von der Wertschätzung unserer Zukunft zu deren völliger Vernachlässigung gewandelt hat.
Dixson-Declève S. et.al. 2022. Earth for All. Ein Survivalguide für unseren Planeten. Der neue Bericht des Club of Rome, 50 Jahre nach «die Grenzen des Wachstums».

Die Natur aus dem ökonomischen Denken auszuklammern bedeutet, dass wir uns als ausserhalb der Natur stehend betrachten.

Wir haben zwar das Fehlen der Natur in den offiziellen Konzepten ökonomischer Möglichkeiten immer öfter in Frage gestellt, aber die Sorge wurde für die Sonntage aufgehoben. An den Wochentagen blieb unser Denken wie gehabt.

Der Fehler liegt aber nicht in der Ökonomie, sondern darin, wie wir beschlossen haben, sie zu praktizieren. 
Übersetzt von: Partha Dasgupta. The Economics of Biodiversity: The Dasgupta Review. Abridged Version. 2021

Die derzeitige ökonomische Organisation, die auf unkontrolliertem Kapitalverkehr ohne soziale und ökologische Zielmarken beruht, kommt oft genug einer Art Neokolonialismus zugunsten der Reichsten gleich. Politisch wie ökologisch ist die Entwicklung unhaltbar.
Piketty Thomas. 2022. Eine kurze Geschichte der Gleichheit.

© mipan | Shutterstock, Inc. [US] 2020

Das Malaise in einigen Bereichen des Finanzwesens kann nur durch eine Kombination aus regulatorischen Massnahmen und einem echten kulturellen Wandel beseitigt werden.

Die Marktstandards wurden schlecht verstanden, oft ignoriert und waren stets nicht durchsetzbar. Zu viele Teilnehmer fühlten sich weder für das System verantwortlich noch erkannten sie die vollen Auswirkungen ihres Handelns.

Schlechtes Verhalten blieb unkontrolliert, breitete sich aus und wurde schliesslich zur Norm. 

Übersetzt von: Mark Carney. Value(s) - Building a Better World for All. 2021.

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Wirtschaftswachstum, das auf Ausbeutung beruht - seit 400 Jahren das Geschäftsmodell des reichen Westens - ist an seine Grenzen gelangt. Die Ausbeutbarkeit von Menschen und den Ökosystemen [...] führt zu millionenfacher Migration und katastrophalen Umweltbelastungen.
Philipp Blom. Was auf dem Spiel steht. 2017
Es sind die Bedingungen einer künftigen Wirtschaft, die neu entwickelt werden müssen: Denn all die grossartigen Errungenschaften, auf die man zurückblicken kann, sind nur um den Preis zu haben gewesen, dass man weder auf die natürlichen Gegebenheiten noch auf die Lebenssituationen von Menschen in andern Teilen der Welt Rücksicht genommen hat.
Harald Welzer. Alles könnte anders sein - Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen. 2019
Die ökologischen Probleme werden zunehmen und damit auch die gesellschaftlichen und ökonomischen Verwerfungen [...].

Wir müssen uns fragen, wie ein Wirtschaftssystem aussehen kann, das dem Menschen dient und die ökologischen Grundlagen erhält. Das heutige tut es nicht.

Interview mit der Ökonomin Irmi Seidl. Der ökologische Umbau wird die Arbeitswelt verändern. Tages-Anzeiger. 15.02.2020



Nachhaltigkeit

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Die Frage ist nicht wieDie Frage ist, wann entscheiden wir uns nachhaltig zu leben?

Nicht das Ziel der Transformation unserer Gesellschaft hin zu einer nachhaltigen Entwicklung ist utopisch, sondern vielmehr die Ansicht, es könne die heutige nicht-nachhaltige Entwicklung einfach beibehalten werden.

What are Pathways to Sustainability?
Video | steps-centre.org

Wir sind nicht nachhaltig unterwegs. Innerhalb der Lebenszeit einer einzigen Generation nahm die Weltbevölkerung, der globale CO2 - Ausstoss, der Ressourcen- und Energieverbrauch in beispiellosem Tempo zu:

Quelle: Christian Berg. 2020. Online-Vorstellung des neuen Berichts an den Club of Rome – Ist Nachhaltigkeit utopisch?


Eine nachhaltige Entwicklung ist kaum vorstellbar ohne

  • die Abkehr von der überwiegend linearen Wirtschaft hin zu einer konsequenten Kreislaufwirtschaft,
  • dem gleichzeitigen Zurückfahren des Überkonsums,
  • der raschen Reduktion der CO2 – Emissionen, sowie
  • einer grundlegenden Änderung der Art und Weise, wie wir Land bewirtschaften.

Wir müssen von der tief verinnerlichten Grundhaltung Wettbewerb und Eigennutz hin zu einer Grundhaltung Kooperation und Gemeinwohl finden, wollen wir z.B. den globalen Klimawandel wirklich eindämmen.


17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung
UN Agenda 2030 

Die Nachhaltigkeitsziele sollen der Weltpolitik die Richtung für eine nachhaltige Entwicklung geben. Das heisst, dass alle Staaten aufgefordert sind, die drängenden Herausforderungen der Welt gemeinsam zu lösen.

Die Agenda 2030 ist keine Gebrauchsanweisung, wie die 17 Nachhaltigkeitsziele erreicht werden können. Vielmehr ist sie ein normativer Kompass.

Die Menschen sollen bis 2030 - überall auf der Welt - über einschlägige Informationen und das Bewusstsein für nachhaltige Entwicklung verfügen.

Die Vereinten Nationen warnten, dass ohne eine bessere Performance der G20-Staaten, die für 75 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich zeichnen, die UN Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung scheitern werde. 

Unbestritten ist, dass ein «business as usual» bei der Agenda 2030 nichts bringt. Ohne entschiedenes Handeln wird kein Land bis 2030 die Nachhaltigkeitsziele erreichen.

Hier ist vor allem auch das Konsumverhalten der reichen Industrieländer Gegenstand der Kritik.

Schätzungen, wonach die Weltbevölkerung bis 2050 auf 9,7 Milliarden ansteigt, werden die Menschen und den Planeten vor immense Herausforderungen stellen. Asiens Aufstieg wird zweifelsohne auch zu höherer Energienachfrage, mehr Konsum und Produktion führen.

Dafür ist eine öffentliche Diskussion über einen breiten Ansatz von Nachhaltigkeit nötig.
Das ist keine rückwärtsgewandte «Öko-Agenda», sondern es sind überfällige Reformen für wirtschaftliche Modernisierung, Klimaschutz und Innovation.

Gemäss: Sabina Wölkner. Agenda 2030: Mut zur Nachhaltigkeit! Konrad Adenauerstiftung. 2019


Unser Dilemma 
als umweltbewusste Wohlstandsbürger 


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Wollen wir wohlhabenden Menschen uns für den Schutz der Umwelt einsetzen, müssen wir heute - so wird uns Konsumenten gesagt - bloss in den Supermarkt gehen. Dort gibt es jetzt überall nachhaltige und umweltfreundliche Produkte. 

Wir können also scheinbar sorglos immer mehr konsumieren und damit der Umwelt sogar etwas Gutes tun. Fast kein Produkt - vom Klopapier bis zum Auto - wird mehr verkauft ohne das Versprechen, dass man die Welt dadurch ein wenig besser mache.

«Kauf mich und mach diese Welt ein kleines Stückchen besser» - so lautet die zentrale Marketing-Botschaft nachhaltiger Marken.

Der Markt werde das Klimaproblem schon richten, wird argumentiert: Man müsse nicht weniger konsumieren, sondern eben nur anders.


Jetzt wird dieses Verhalten aber tagtäglich durch Meldungen über die Folgen unseres Tuns erschüttert.

Was wir als nachhaltig konsumieren
, hinterlässt so oft woanders auf der Welt trotzdem Armut und Zerstörung der Umwelt.

Gemäss: Marcus Jauer. Tages-Anzeiger 10.12.2018 und Sebastian Schoep. Tages-Anzeiger 06.06.2019


Mein ökologischer Rucksack

Meinen eigenen Ressourcen-Verbrauch berechnen

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Wer also wirklich etwas ändern will, kommt um ein Nachdenken über das Dogma des «IMMER MEHR» nicht herum. 

Kein intelligenter Mensch glaubt noch daran, dass das bestehende Wirtschaftssystem und das Konsumniveau der Gegenwart sich noch auf ein oder zwei Generationen fortsetzen lassen, ein Gedanke, der um 1900 oder 1950 noch selbstverständlich gewesen wäre. Das macht deutlich: Wir befinden uns am Ende von etwas. 
Blom Philipp. 2020. Das grosse Welttheater. Von der Macht der Vorstellungskraft in Zeiten des Umbruchs.

Die Vorstellung, wir könnten so weiterleben wie zuvor, ist nicht mehr glaubwürdig. Immer mehr und immer besser - das war früher.
Interview mit Soziologe Andreas Reckwitz. Tages-Anzeiger 07.01.2023

Dass die Vorstellung, auf einen Teil des gewonnenen Wohlstands verzichten zu müssen, Angst bereitet, ist verständlich. Da hilft es sich klarzumachen, dass sich ein erfülltes Leben nicht an der Zahl der unternommen Kreuzfahrten oder der Grösse des Kleiderschranks bemessen lässt.

Verzicht wird nicht selten mit Verlust assoziiert, der für immer eine Lücke hinterlässt. Doch wo Lücken klaffen, entsteht auch Raum für Neues.

Grenzen muss Verzicht dort haben, wo die Grundversorgung des täglichen Lebens gefährdet ist.
Silvia Liebrich. Wir müssen lernen zu verzichten. Süddeutsche Zeitung. 30. Juli 2022.

Verzichten müssen wir nicht auf Glück, Wohlbefinden und Gerechtigkeit, sondern auf Masslosigkeit, Überfluss, Stress und Konsumdekadenz.
Stefan Brunnhuber. 2023. Die Kunst der Transformation. Wie wir uns anpassen und die Welt verändern.

Verzichten heisst in reichen Ländern [...] eigentlich nicht mehr und nicht weniger, als darauf zu verzichten, den Planeten zu ruinieren und dafür die Lebensgrundlagen in der Zukunft zu erhalten. Das ist natürlich ein grosses Wort. Geht es nicht ein bisschen kleiner? Leider nein.
Maja Göpel. 2020. Unsere Welt neu denken. Eine Einladung.



Die Zeit drängt

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Es eilt sehr. Ein Systemkollaps ist eine reale Gefahr.

Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen bedingt durch das rasante Bevölkerungswachstum, die Übernutzung der Ressourcen und die damit einhergehende Verschmutzung, den Verlust der Biodiversität, die Erderwärmung und insgesamt erleben wir einen schleichenden Verlust der Lebensgrundlagen.

Ernst Ulrich v. Weizsäcker und Anders Wijkman - Wir sind dran - Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen. Eine neue Aufklärung für eine volle Welt. 2018

Bei der Luftverschmutzung, der biologischen Vielfalt, beim Ausmass des Klimawandels und anderen Bereichen hat unser Planet Grenzen der Belastbarkeit. Grenzen, die eingehalten werden müssen, damit die Lebensgrundlagen für den Menschen gewahrt bleiben.

6 von 9 planetarischen Grenzen haben wir bereits überschritten. So haben wir Menschen z.B. die Atmosphäre global bereits um rund 1,5°C erwärmt und steuern derzeit darauf zu, diverse unumkehrbare Kipppunkte im Klimasystem zu überschreiten.


Planetare Grenzen: Neun Leitplanken für die Zukunft
Helmholtz Klima Initiative

Angesichts der existenziellen Bedrohung durch den Klimawandel, Unwetter, steigende Meeresspiegel, Verlust von Biodiversität, Ressourcenverknappung und die zunehmende wirtschaftliche Ungleichheit werden wir daran erinnert, wie wichtig es ist, eine nachhaltige Wirtschaft zu entwickeln, die ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen Fragen und sozialer und ökologischer Verantwortung schafft.
Schweizerischer Nationalfonds. 73 NFP Nachhaltige Wirtschaft. 2023

Jetzt braucht es den «Druck» auf Politik und Entscheidungsträger von unten - von uns Bürgerinnen und Bürgern - für grundlegende Veränderungen zum Schutz von uns Menschen vor dieser existenziellen Bedrohung.

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Die Lasten, die wir auf die nächste Generation abwälzen - von steigenden Staatsschulden, unterfinanzierten Renten, unzureichender Gesundheits- und Sozialfürsorge bis hin zur ökologischen Katastrophe - sind unfair, ungerecht und unverantwortlich.
Übersetzt von: Mark Carney. Value(s) - Building a Better World for All. 2021.

It's so easy to do nothin'
when you're busy night and day. 
Aus dem Song Desperation der Rock-Band Steppenwolf 1968

Wie wollen wir das der nächsten Generation erklären, wenn wir jetzt nicht rasch und entschlossen alles tun, um die Lebensgrundlagen auf der Erde zu erhalten, anstatt einfach weiterzumachen wie bisher?

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Wie will ich das den Kindern und Enkelkindern erklären, wenn ich jetzt nicht rasch und entschlossen meine Lebensweise zu ihren Gunsten ändere, anstatt einfach weiterzumachen wie bisher?