Letztes Update  14.12.2025
de

Nachhaltig

Das grosse Dilemma

Biodiversität

Der rasch voranschreitende Rückgang der Biodiversität auf dem Lande und im Meer ist ein ernsthaftes Risiko für die Ernährungssicherheit der Menschheit. 

Wenn wir die Natur besiegt haben, werden wir uns auf der Verliererseite wiederfinden.
Zitat von: Konrad Lorenz, Biologe und Nobelpreisträger. 1903 - 1989
Im Jahr 2022 hatten 2,4 Milliarden Menschen, darunter relativ viele Frauen und Menschen, die in ländlichen Gebieten leben, nicht das ganze Jahr über Zugang zu nahrhaften, sicheren und ausreichenden Lebensmitteln.
Übersetzt von:
The State of Food Security and Nutrition in the World 2023 - in brief. FA0, IFAD, UNICEF, WFP and WHO. PDF
Fossile Aufzeichnungen zeigen zwar, dass das Aussterben von Arten auf natürliche Weise erfolgt, aber die heutigen Aussterberaten sind schätzungsweise 100 bis 1000 Mal höher als das, was als natürlich angesehen wird.
Übersetzt von: Elizabeth Claire Alberts. Global biodiversity is in crisis, but how bad is it? It's complicated. Mongabay Series. 11. April 2022

Hintergrundbilder: AI generiertes Bild 2024 + © Momo0607 + © Frank Wortmann | Shutterstock, Inc. [US] 2021/2023

Biodiversität bedeutet «biologische Vielfalt» oder «Vielfalt des Lebens». Die Biodiversität lässt sich auf drei Ebenen beschreiben: die Vielfalt der Gene, die Vielfalt der Arten und die Vielfalt der Lebensräume. Diese drei Ebenen der Biodiversität sind eng und dynamisch miteinander verknüpft.

Biodiversität ist nicht nur an sich erhaltenswert, sondern erbringt unverzichtbare Leistungen für Gesellschaft und Wirtschaft, sogenannte Ökosystemleistungen. Die Vielfalt dieser Leistungen ist immens: Unter anderem liefert Biodiversität Nahrung, beeinflusst das Klima, erhält die Wasser- und Luftqualität, ist Bestandteil der Bodenbildung und bietet nicht zuletzt dem Menschen Raum für Erholung.
Beate Kittl. 2024. Fragen und Antworten zur Biodiversität in der Schweiz. WSL Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft

2022 einigten sich 188 Staaten an der 15. UN-Biodiversitätskonferenz mit einer wegweisenden Abschlusserklärung unter anderem darauf, bis 2030 mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen sowie der Binnengewässer unter Schutz zu stellen. 

© Salcover | Shutterstock, Inc. [US] 2023

Die Änderung der Landnutzung durch den massiven Ausbau der globalisierten, hochkommerzialisierten industriellen Landwirtschaft ist die grösste treibende Kraft hinter dem Verlust der Agrobiodiversität. 

Laut der Schätzung der FAO [Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen] gingen im 20. Jahrhundert weltweit 75 Prozent der Kulturpflanzenvielfalt verloren. Wurden in der Vergangenheit etwa 7'000 Pflanzen zwecks Ernährung angebaut, tragen heute nur noch etwa 80 Sorten massgeblich zur globalen Nahrungsversorgung bei.

Tatsächlich stammt die Hälfte aller pflanzenbasierten Kalorien von nur drei Arten ab - Reis, Mais und Weizen. Und 93 Prozent der globalen Fleischversorgung stammen von nur 4 Tierarten: Schwein, Geflügel, Rind und Büffel.

Die Wiederherstellung der Agrobiodiversität - die Vielfalt dessen, was wir anbauen, züchten, konsumieren und in freier Wildbahn erhalten - ist von entscheidender Bedeutung, um widerstandsfähige Nahrungssysteme vor dem Hintergrund des Klimawandels sicherzustellen.
Swiss academies factsheets Vol.15 No.1. 2020. Vielfalt ist die Quelle des Lebens: Herausforderungen und Handlungsbedarf für die Förderung der Agrobiodiversität. PDF

Die Produktion von Fleisch und Milchprodukten beansprucht bereits 70 - 80 Prozent des globalen Agrarlands*), obwohl damit nur 18 Prozent des Kalorienbedarfs und 37 Prozent des Proteinbedarfs der Menschheit gedeckt werden.
Übersetzt von: Poore et al., Reducing food's environmental impacts through producers and consumers. Science 360, 987-992 (2018)
*) Anbau von Tierfutter und Weideland für Tiere

Fast die gesamte Biomasse der Säuger-Lebewesen weltweit besteht aus Menschen und Nutztieren. Beide machen 95 % aller Säuger-Lebewesen aus. Menschen 36 %, unser Vieh und unsere Haustiere, bei denen es sich hauptsächlich um Rinder handelt, 59 % .

Damit bleiben nur 5 % für wildlebende Säugetiere übrig, zu denen Tausende verschiedener Arten gehören, von Elefanten und Hirschen bis hin zu Löwen und Walen.
Übersetzt und gemäss:
Our World in Data. Almost all of the world's mammal biomass is humans and livestock. December 01, 2025

Die globalen Wildtierpopulationen von Säugetieren, Vögeln, Fischen, Reptilien und Amphibien haben sich seit 1970 um durchschnittlich 73 % reduziert. Das entspricht einer jährlichen Abnahme der beobachteten Populationsgrössen von durchschnittlich 2,6 Prozent.
Quelle:
WWF. 2024 Living Planet Report. Kurzfassung. PDF 

Die Biodiversität erlebt weltweit ein dramatisches, durch den Menschen verursachtes Massenaussterben. Damit nimmt auch die Kapazität der Ökosysteme erheblich ab, zu Klimaregulierung und Ernährungssicherung beizutragen.

Nur wenn sich unser Umgang mit Land grundlegend ändert, können die Klimaschutzziele erreicht, der dramatische Verlust der biologischen Vielfalt abgewendet und das globale Ernährungssystem nachhaltig gestaltet werden.
WBGU Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen. 2020. Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration. PDF

© Kichigin | Shutterstock, Inc. [US] 2023  

Als Folge des Klimawandels befindet sich die Biodiversität der Meere in einer Phase des raschen Wandels, der nachweislich noch schneller vonstatten geht als die in terrestrischen Ökosystemen beobachteten Veränderungen.
Übersetzt von: Hodapp D. etal. 2023. Climate change disrupts core habitats of marine species. Global Change Biology, 00, 1–14.
Die Meere beherbergen schätzungsweise eine Million Tier- und Pflanzenarten. Das Phytoplankton in den Meeren produziert so viel Sauerstoff wie alle Landpflanzen zusammen.
Greenpea
ce Schweiz. 2023. Wer atmet braucht das Meer.

Folgende Schritte sind wichtig, um Klimawandel und Biodiversitätsverlust zu begrenzen:

Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Die wirtschaftliche Entwicklung von Ländern und Firmen muss auch am Umgang mit natürlichen Ressourcen gemessen werden.

Keine klima- und biodiversitätsschädigenden Subventionen. Die Staaten weltweit geben viel mehr Geld für umweltschädigende Subventionen aus als für den Klima- und Biodiversitätsschutz.

Radikale Reduktion der Treibhausgas-Emissionen. Nur eine rasche Dekarbonisierung kann den Klimawandel bremsen. Auch Treibhausgas-Emissionen der Landwirtschaft aufgrund von Landnutzungsänderungen sind zu minimieren.

Landnutzungskonflikt überwinden. Landnutzungen für Gebäude, Verkehr, Nahrungsmittelproduktion, Klimaschutz und Biodiversitätserhaltung müssen aufeinander abgestimmt werden.

Umweltvorgaben für den Finanzsektor. Der Finanzsektor hat eine grosse Wirkung auf wirtschaftliche Aktivitäten, welche die Biodiversität und das Klima schädigen.

Weniger Fleisch und Milchprodukte. Natürliche Ökosysteme dürfen nicht weiter in Plantagen, Agrarflächen oder Zuchten umgewandelt werden. Land- und Waldwirtschaft wie auch Fischerei müssen die bereits genutzten Flächen nachhaltig bewirtschaften. Dies bedingt auch die Ernährungsgewohnheiten umzustellen.

Mehr Mittel für den Naturschutz. Um die Naturschutzziele zu erreichen, müssen die Staaten weltweit ein Vielfaches der derzeit aufgewendeten Mittel einsetzen.
Ismail SA et al. (2021) Klimawandel und Biodiversitätsverlust gemeinsam angehen. Swiss Academies Factsheet 16 (3). PDF